Wieder kurzweilige, vielseitige Familienfreizeit nach 2 Jahren


Familienfreizeit mit Musik, Tanz und Spiel vom 8. - 13.10.2001 in der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg


Leitung:     Ursula Bongard

Referenten:     German Geiger, Ute Hinrichsmeyer, Barbara Schmidt

Nach zwei Jahren fand wieder einmal die Familienfreizeit mit Musik, Tanz und Spiel vom 8. bis 13. Oktober 2001 in der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg statt. Die drei Generationen von über fünfzig Teilnehmern konnten in den sechs Tagen folgende Angebote in Anspruch nehmen:

  • Orchester, stattlich klein, mit Streichern, etwas großem Blech, diversem Kleinholz aus eben diesem und Metall, sowie zwei Schlagzeugern

  • Erwachsenenchor mit ausreichend und stimmsicheren Frauen und Männern

  • Kinderchor und -theater

  • Bühnenwerkstatt für Kulisse und Kostüme

  • Arbeitsgruppe Liturgie

  • Orff-Kreis

  • Kammermusikensemble

Alle Arbeitsgruppen beschäftigten sich ausschließlich oder ausreichend mit der Umsetzung oder den Inhalten des Musicals „Die Kinder von Girouan - Frieden in der Welt“ von Hans-Georg Wolos aus den dreißiger Jahren in einer von B. Schmidt und U. Henke bearbeiteten Fassung.


Die vorgelegte, von B. Schmidt und U. Henke bearbeitete und eingerichtete Fassung, handelt von einer friedlosen Dorfgemeinschaft mit mannigfaltig gelebten Untugenden. Ein ultimativer Deus ex machina „Der blaue Strahl“ versetzt daraufhin die Erwachsenen in Tiefschlaf und überlässt die Kinder ihrem Schicksal. Im Gegensatz zu W. Goldings „Herr der Fliegen“ schaffen letztere es jedoch, sich eigenständig ein konstruktives, beständiges, von Einsicht geprägtes friedvolles Sozialgefüge zu erarbeiten. Offen bleibt am Ende aber, inwieweit die wieder erwachten und über die positive Entwicklung erstaunten Eltern die Vorgabe ihrer Kinder weiterführen können oder wollen.

Schon bei der Vorstellung des Werkes am ersten Abend rief der überzeichnete kollektive Alkoholismus der Dorfbewohner Irritationen nicht nur bei den jüngsten Teilnehmern hervor. German Geiger besaß allerdings die Gelassenheit, sporadisch Raum für Diskussionen in dem von ihm geleiteten Erwachsenenchor zu schaffen. So konnte das Musical, schon stark gekürzt und geändert, von den Choristen weiter interaktiv angepasst werden. Trotzdem wies der Chor am Ende mit den Ohrwürmern des Musicals („Wir sind die Kinder von Girouan“, „Wisst ihr schon das Neuste“, „Unser Dorf hat sich total verändert“, „Ein Schlafwandler geht durch die Nacht“) insgesamt achtzehn einstudierte Stücke vor, darunter „Power“ (M. Summers) oder der Kanon „Glorify Jesus“ (Arr. Th. Riegler), welcher - typisch für diese Familienfreizeit - zur spontanen Jam Session der jüngsten Orchestrandi reizte.

Dafür musste Ulla Bongard nichts tun, wohl aber dafür, ihr heterogenes Orchester für das Musical in wetteifernden Einklang zu bringen. Von den Dissonanzen der ersten Gesamtprobe blieb schlussendlich beabsichtigt nur die bei Auftritt des blauen Strahls. Schließlich sollte sie genauso „gaga“ machen wie der liebevoll zusammengezäunte halogen-strahlend blaue Scherbenhaufen aus Germans Hobbythek.

Wenn Ulla Bongard ‘mal nicht das Orchester leitete, dann die gesamte Familienfreizeit. Davon erfuhr der gemeine Teilnehmer regelmäßig durch ihre Ansagen nach dem allmorgendlichen Plenumsgehopse im »Goldenen Saal«, seltener während der Essenszeiten. Dafür belohnte sie ihn dann mit unterhaltsamen Einsingliedern, wie dem „Kartoffelknolli-Boogie“, oder dem „Du-Lied“ des Werkgemeinschaft-Musikers H. M. Lonquich, zu welchemn sich alsbald eine kleine Klezmer-Besetzung und eine Choreographie gesellten.

Mit unermüdlichem Engagement formte Barbara Schmidt den quirligen Haufen von fast zwanzig Kindern geduldig zu Choristen, Tänzern und Theaterspielern. Gemessen am Alter und der verfügbaren Probenzeit absolvierten sie ein respektables Pensum mehrstimmiger, mehrstrophiger Lieder und Sprechtexte, immer begleitet mit Orchester und szenischen Aktivitäten. In den Gesamtproben ließ sie als Regisseurin den mitspielenden Erwachsenen die nötigen Freiheiten und griff bei Bedarf behutsam und bereichernd ein. Zum Ausgleich leitete sie beim Einsingen ihre witzige Body-Percussion auf einen bekannten Hit aus den Charts an.

Während der Proben scharten sich Sangesmüde, Spielfaule und arbeitslose Babysitter bastelfreudig um Ute Hinrichsmeyer in der provisorischen Bühnenwerkstatt. Mit der Umsetzung ihres einfallsreichen Bühnenbildentwurfs und ihrer Kostümverbesserungen bewies sie mit Blick für die Bedürfnisse des Stücks, wie auch ohne aufwändige Bühnentechnik eine wandelbare Kulisse gefertigt werden kann. Die Wandlung musste zu aller Kurzweil in die Dramaturgie eingearbeitet werden.

Das Kammermusikensemble brachte dabei passend Heiteres mit Blockflöten zu Gehör.

Die ungeübteren Blockflötenspieler und Schlagwerker hingegen trafen sich regelmäßig unter der unendlich geduldigen Leitung von German Geiger. Die einstudierte „Dorfmusik“ bescherte dem Musical eine beschauliche Ouvertüre um den Dorfbrunnen.

Die Arbeitsgruppe Liturgie bereitete über die Tage hinweg einen Wortgottesdienst für alle Teilnehmer der Familienfreizeit vor, welcher betend, singend und hörend im Goldenen Saal begangen wurde. Mit einer kindgerecht aufgemachten Geschichte über farblose und bunte Pilze wurde der Versuch unternommen, die eschatologisch geprägten Begriffe „Neuer Himmel, neue Erde“ in das Hier und Jetzt zu deuten. Der Mangel an einem, bei anderen Veranstaltungen der Werkgemeinschaft Musik verpflichteten geistlichen Referenten tat dem professionell wirkenden Gottesdienst keinen Abbruch.

Die effektvolle Aufführung des Musicals am letzten Abend im Goldenen Saal verlief - dank Barbara Schmidt als Souffleuse - zu aller Begeisterung, was von den vierzig Besuchern mit langem Beifall bedacht wurde. Die Akteure gaben ihrer Freude mit dem kurzerhand eingeplanten Schlusslied „Da berühren sich Himmel und Erde“ Ausdruck.

Vielleicht erkannte dabei das Publikum die aussergewöhnliche Situation, dass so viele Kinder und ihre Eltern, ja sogar Großeltern, gemeinsam auf der Bühne standen. Vielleicht spürte es die Ausgeglichenheit der Akteure, die ausreichend Freiräume hatten, nicht von Kurs zu Kurs hetzen zu müssen, wie das bei anderen Veranstaltungen häufig der Fall ist. Vielleicht empfing es auch etwas von dem harmonischen Miteinander, welches sich die Teilnehmer in den Tagen dieser Familienfreizeit schenkten. Sicherlich erfuhr es im Laufe des anschließenden gemütlichen Beisammenseins, dass die Teilnehmer im allabendlichen preiswerten Bierstüberl und selbst am Lagerfeuer das Singen nicht unterließen, dass die Kinder immer vor dem Schlafengehen in Stephans Märchenstunde im Eckzimmer der Tragödie des fortgelaufenen Katers „Munkel“ lauschen durften, dass der fünfzehnminütige Spaziergang zum naheliegenden Märchenwald einem selbst schon wie im Märchen vorkommt, dass German Geiger wie gehabt seinen PKW mit Technik für die Familienfreizeit vollstopfte, oder dass selbst diese abgeschiedene Gegend mit Linienbussen erreichbar ist.

Vielleicht aber hat sich dann der eine oder die andere mit Familie hinreissen lassen, dieses hervorragende Angebot der Werkgemeinschaft Musik und seiner professionellen Referenten im Herbst 2002 nutzen zu wollen.

Udo Auer