dargestellt am Beispiel der Orationen des Meßbuchs


VON IRMGARD PAHL

1. Einleitung


Die Liturgiekonstitution, deren Bedeutung mit dieser Tagung gewürdigt werden soll, hat zur Entwicklung der gottesdienstlichen Sprache in den letzten drei Jahrzehnten den entscheidenden Impuls gegeben: den Impuls zu einer Entwicklung, die eindeutig auf volkssprachliche Liturgie hinzielte.

Es gab und gibt allerdings immer noch Stimmen, die werfen der nachkonziliaren Reform gerade in dieser Hinsicht eine Fälschung der Konzilsbeschlüsse vor: das Konzil habe niemals so weit gehen wollen, wie die Reform dann gegangen ist.

Und sie zitieren in diesem Zusammenhang mit Fleiß den ersten Satz, mit dem die Liturgiekonstitution ihre Äußerungen zum Thema Sprache im Gottesdienst beginnt:

"Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht1 entgegensteht" (SC 36 § 1). Vgl. a.: SC 54 (Messe) und 101 (Stundenliturgie).

Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll erhalten bleiben - eine klare Weisung des Konzils! De facto aber wird die Liturgie heute auch in den Bereichen des lateinischen Ritus überall auf der Erde nicht mehr in lateinischer, sondern in lebenden Sprachen gefeiert, von Ausnahmen abgesehen (z. B. internationale Versammlungen, wie etwa Lourdes).

Wie beurteilen wir diese scheinbare Diskrepanz?

Durch sie herausgefordert, möchte ich im folgenden zunächst einiges grundsätzlich zur gottesdienstlichen Sprache sagen. Es wird aufzuzeigen sein, daß die Inkulturation der Liturgie auch und gerade im Bereich der Sprache eine Notwendigkeit darstellt, die zumindest auf der Linie des Konzils liegt, auch auf der Linie der Liturgiekonstitution. Der Vorwurf der Konzilsfälschung erledigt sich dabei von selbst.

Im zweiten Teil meiner Ausführungen möchte ich auf die ganz aktuelle praktische Aufgabe zu sprechen kommen, die sich uns heute stellt, wenn wir die Orationen der Meßliturgie sprachlich so weiterentwickeln wollen, daß sie auch noch zu Beginn des nächsten Jahrtausends Gebetsvorlagen für die feiernde Gemeinde sein können.

Ich werde Sie über die Arbeit der mit dieser Aufgabe betrauten Studiengruppe, die ich leite, informieren. Dabei stelle ich Ihnen die Prinzipien unserer Arbeit vor, - sog. Leitlinien, die Ihnen ausgeteilt wurden.

Ich erhoffe mir von der anschließenden Diskussion und von den Bemühungen im Arbeitskreis "Sprache" einen Austausch über diese Leitlinien, - der nicht nur Ihnen und dieser Tagung Bereicherung bringt, sondern der indirekt auch auf das Fernziel der Meßbuchrevision einwirkt - und damit auf das gottesdienstliche Beten einer zukünftigen Generation.


1Liturgie in slawischen Sprachen; Deutsches Hochamt.