von Dr. Johanna Schell
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In Erfurt verstarb am 1 .Februar dieses Jahres nach längerer schwerer Krankheit Kirchenmusikdirektor Wilhelm Kümpel im Alter von 79 Jahren. Von 1950-1994 war er Organist am Erfurter Dom St. Marien, von 1950-1985 auch Leiter des Erfurter Domchores und weit über seinen Wirkungskreis hinaus bekannt. Vor seinem Sarg, der Im Hohen Chor des Erfurter Domes aufgestellt war, hatte sich eine große Trauergemeinde versammelt, um in einem feierlichen Requlem von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen, für ihn zu beten und Gott für sein Leben im Dienst der Kirchenmusik zu danken. Zahlreiche Kirchenmusiker waren gekommen, um ihrem hochgeschätzten Kollegen und Freund die letzte Ehre zu erweisen und der Familie ihre Anteilnahme zu bekunden. Unter dem erhabenen Klang der altehrwürdigen Domglocke Gloriosa aus dem 15. Jh. wurde der Leichnam aus dem Dom getragen, um auf dem Erfurter Hauptfriedhof seine letzte Ruhestätte zu finden.

Wilhelm Kümpel, geboren am 13. Juli 1920, verlebte seine Kindheit nicht nur in seinem Geburtsort Simmershausen in der Rhön, sondern auch in Hünfeld (1926-1934). Dort wurde er Orgelschüler des damaligen Fuldaer Domorganisten Fritz Krieger, nachdem er den Anfangsunterricht im Klavierspiel wohl bei seinem Vater erhalten hatte. Da dieser nebenberuflich auch als Organist tätig war, kam Kümpel bereits als Kind mit der Orgel in Berührung. Schon früh zeigte sich seine musikalische Begabung, vor allem sein Improvisationstalent. Mit 13 Jahren spielte er zum ersten Mal im Gottesdienst und debütierte als Nachwuchsorganist in einer Rundfunksendung "Kinder musizieren für Kinder" von Radio Frankfurt/Main.

1934 zog die Familie nach Potsdam: Kümpel erhielt nun Unterricht beim Domorganisten der St. Hedwigs-Kathedrale In Berlin, Professor Joseph Ahrens, bei dem er später auch Kirchenmusik studierte.

Nach dem Abitur 1939 folgten Arbeitsdienst und Einberufung zum Militär mit Teilnahme am Polenfeldzug. Nach einjähriger Freistellung zum Musikstudium in Berlin wurde Kümpel 1941 erneut eingezogen und kam nach Frankreich, war dort jedoch als Dolmetscher eingesetzt und entging so einem weiteren Fronteinsatz. Statt dessen hatte er Gelegenheit, in seiner Freizeit Orgel zu spielen und bei dem namhaften Organisten Marcel Dupré in Paris zu studieren.

1946 kehrte Kümpel aus der Kriegsgefangenschaft nach Potsdam zurück und nahm sein Studium der Kirchen- und Schulmusik an der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg wieder auf. 1949 legte er die Staatliche Prüfung für Organisten und Chorleiter (A-Prüfung) ab und erwarb das Diplom als Schulmusiker an Höheren Lehranstalten. Nachdem er in seiner Heimatgemeinde schon vielfach zu Orgelvertretungen herangezogen worden war, übernahm er noch während seiner Studienzeit 1947 das Amt des verstorbenen Organisten und Chorleiters Karl Buhl an der Katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul in Potsdam. Nach seinem Staatsexamen war er außerdem Musiklehrer an einer Potsdamer Oberschule.

1950 gab Kümpel Schuldienst und Organistenamt in Potsdam auf und ging als Domorganist und Leiter des Domchores St. Marien nach Erfurt. Dort erwartete ihn ein umfangreiches und vielseitiges Wirkungsfeld, das im Laufe der Jahre wesentlich von seiner Persönlichkeit und seinem Engagement geprägt wurde. Durch sein hochqualifiziertes Orgelspiel hat er nicht nur in künstlerischer Hinsicht Erfolg und Ansehen erworben, sondern ebenso am liturgischen Bereich Maßstäbe gesetzt und zwar sowohl in vorkonziliarer Zeit als auch nach der Liturgiereform. Zahlreiche Vertonungen von deutschen liturgischen Texten, Chorstücke, Liedsätze und Orgelintonationen zeigen ihn als ideenreichen und kontrapunktisch versierten Komponisten, der aber stets die kirchenmusikalische Praxis im Auge behielt. In der Orgelimprovisation war er souverän und galt als Repräsentant der Ahrensschen Schule. Die seit 1972 jährlich am war Dom durchgeführte Dom-Musik-Woche, die als kultureller Schwerpunkt im Musikleben Thüringens bezeichnet werden kann, geht ebenfalls auf seine Initiative zurück.

Kümpels Arbeit und die Entwicklung der Kirchenmusik während seiner langen Amtszeit am Erfurter Dom wurde aber auch durch die politische Situation in der DDR und deren Auswirkungen auf das kirchliche Leben beeinflusst, wobei nicht nur Negativa zu verzeichnen sind. So gewann Erfurt schon bald eine vorrangige Bedeutung für die Katholische Kirche in der DDR, als dort 1952 ein neues Priesterseminar eröffnet wurde. Es war über Jahrzehnte die einzige Ausbildungsstätte für den Priesternachwuchs in der DDR. 1953 wurde der Erfurter Dompropst Dr. Joseph Freusberg zum Weihbischof ernannt, der Erfurter Dom damit nach Jahrhunderten wieder zur Bischofskirche. Beide Ereignisse bedeuteten auch für Kümpel eine Herausforderung sowie einen Zuwachs an Diensten und Verpflichtungen.

Im gleichen Zeitraum gab es aber auch noch andere Aufgaben, so eine Lehrtätigkeit für katholische Kirchenmusikstudenten an der Weimarer Musikhochschule (1950-1961 und in den 80er Jahren), die sich allerdings aus politischen Gründen nicht in der gewünschten Weise entwickeln konnte und daher zwischenzeitlich sogar ganz aufgegeben werden musste.

Umso erfolgreicher war dagegen die 1952 eingerichtete diözesane C- und B-Ausbildung für Organisten und Chorleiter, mit deren Leitung und Durchführung Kümpel beauftragt wurde. In der Folgezeit hat Kümpel eine große Anzahl von Organisten und Chorleitern ausgebildet, von denen etliche Absolventen später zu einer hauptamtlichen Anstellung und zu führender Position gelangten. Kümpel hat somit auch auf pädagogischem Gebiet beachtliche Leistungen vorzuweisen, wobei ihm seine akademische Vorbildung als Schulmusiker ebenso zustatten kam wie seine liebenswerte und temperamentvolle Art, mit jungen Menschen umzugehen.

Seit 1953 war Kümpel auch noch Orgel- und Glockensachverständiger für den Jurisdiktionsbereich Erfurt, der sich fast über den gesamten thüringischen Raum erstreckt. 1958 wurde Kümpel in Anerkennung seiner Verdienste zum Kirchenmusikdirektor ernannt.

In sämtlichen Funktionen sowie in einer regen Konzerttätigkeit war Wilhelm Kümpel über Jahrzehnte mit ungebrochenem Elan aktiv. 1985 gab er die Leitung des Erfurter Domchores aus Altersgründen ab, blieb aber noch bis 1994 Domorganist. Und selbst nach Beendigung seines 44-jährigen Organistendienstes am Erfurter Dom stand er seinem Nachfolger Silvius von Kessel auch weiterhin gern zur Unterstützung und Mithilfe zur Verfügung.

Höhepunkt und Krönung seines Lebenswerkes als Kirchenmusiker war die Einweihung der neuen großen Domorgel (Alexander Schuke, Potsdam) im Jahre 1992, auf die er allerdings über Jahrzehnte warten musste. Requiescat in pace.