Theologische Aspekte in der Musik Bachs


28.2.-3.3.2000 in Erfurt
Leitung: Dr. Heinz Bremer
Referenten: Prof. Dr. Wolfgang Bretschneider, Bonn
Jürgen Faßbender, Limburg
Dr. Engelbert Felten, Trier
Domkantor Dan Zerfass, Worms

von Matthias Gampe und C. Gustavo La Cruz
Zum Ausdrucken und Nachlesen als PDF-Datei
Es ist - seit 1971 - schon zu einer festen Tradition geworden, dass sich die Kirchenmusiker der Werkgemeinschaft Musik einmal jährlich versammeln, um sich in den Hauptdisziplinen
ihres Aufgabenbereichs - Liturgik, Chorleitung, Orgelspiel weiterzubilden. In diesem Jahr fand das Treffen vom 28. Februar bis 3. März in den Räumen des Priesterseminars in Erfurt statt. Vom erfahrenen Kirchenmusiker bis zum Studierenden reichte der Spannungsbogen der fachlichen Voraussetzungen bei Teilnehmer/innen, die in die thüringische Hauptstadt kamen, um unter fachlicher Anleitung miteinander zu arbeiten und voneinander zu lernen, um sich auszutauschen und wiederzusehen oder kennenzulernen.

Als Thema der diesjährigen Fachtagung hatten die Referenten vorgesehen "Die theologisch-spirituellen und liturgischen Aspekte in der Musik Johann Sebastian Bachs" – aktuell bezogen auf das Gedenken an das 250 Todesjahr des großen Komponisten.

Im AK Orgel haben einige Teilnehmer/innen Musik von J. S. Bach und – in einem Vergleich dazu – von F. Mendelssohn-Bartholdy gespielt. Wir sprachen über die Stücke und analysierten sie nach Tonart und Harmonik, nach Motivik und Melodik, nach Artikulation, Phrasierung und Ausdrucksgehalt. Herr Zerfass gab uns wertvolle Impulse für die musikalische Interpretation der Werke.

Der AK Liturgie befasste sich mit dem theologischen Aussagegehalt der Musik von zahlreichen Stellen und Abschnitten in Bachs Weihnachtsoratorium und Actus tragicus –  das ist die Kantate
"Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit". Es war erstaunlich, was man alles herausfinden kann, wenn man sich die Gestaltung oft einfachster Wendungen in den musikalischen Parametern einmal genauer ansieht. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: In den Kantaten 1 und 2 des Weihnachtsoratoriums kommt der Choral ''Vom Himmel hoch, da komm ich her" in Melodie und Satz dreimal vor, nämlich am Schluss der beiden Kantaten jeweils festlich figuriert mit mehreren Zwischenspielen, dagegen aber innerhalb der zweiten Kantate dem Text entsprechend einfach und
ohne Zwischenspiele. In dieser schlichten Fassung wird dargestellt, dass Jesus in der Krippe eines armen und "finsteren Stalles" geboren wurde. Außerdem erscheint nach einer auf fallenden Abwärtsbewegung über eine Oktave in fast allen Stimmen im Basso continuo das große C als Schlusston, das im Weihnachtsoratorium sonst nicht vorkommt. Dies ist als Symbol für die Erniedrigung Jesu zu betrachten. Gerade dieser Arbeitskreis kann dazu einladen, noch mehr ''hinter die Kulissen'' der Musikstücke, die man lernt, zu schauen.

Für den AK Chorleitung hatte Herr Faßbender am Anfang eine Menge relativ unbekannter, dennoch guter Werke als Arbeitsmaterial vorgeschlagen. Unter den Komponisten dieser Stücke waren mindestens sechs Skandinavier und einige Engländer, aber wenig J. S. Bach; das war von Herrn Faßbender so gewünscht, um wesentliche Aspekte der musikalischen Deklamation allgemeiner Art an kleineren Werken darstellen zu können. Aus dieser Sammlung wurden einige Stücke für den Abschlussgottesdienst (siehe folgenden Absatz) ausgewählt. Darüberhinaus konnten die Teilnehmer/innen selbstverständlich Stücke eigener Wahl erarbeiten, darunter solche von J. G. Rheinberger, S. Reda u.a.

Neben diesen Arbeitskreisen fand täglich zweimal ein gemeinsames Chorsingen statt Herr Faßbender stellte uns einige unbekannte Chorwerke vor, z.B. ein ''Agnus Dei'' von August Södermann und ein "Gloria'' aus der ''Missa brevis'' von Knut Nystedt. die im Blick auf unsere eigenen Chöre zwar nicht leicht aufführbar, in ihrer neuen Struktur für uns jedoch höchst reizvoll waren. Besonders faszinierend war beim Chorsingen die gründliche, auf den musikalischen Ausdruck hin ausgerichtete Probenarbeit. Herr Faßbender hat uns immer wieder gezeigt, wie Text und Musik miteinander verbunden sind und eine besondere Ausarbeitung in Artikulation , Phrasierung , Dynamik und Agogik erfordern. Im Abschlussgottesdienst wurden dann mit großer Spannung alle Chorstücke gesungen, die wir geprobt hatten.

Die Tagesausklänge waren meist lehrreich, gelegentlich auch entspannend und lustig. So hielt Professor Bretschneider an einem Abend einen interessanten Vortrag über das "Sanctus'' in verschiedenen Vertonungen , der mit einigen Musikbeispielen bereichert war. An einem anderen Abend gaben Herr Zerfass und Herr von Kessel, Domkantor und -organist in Erfurt, ein sehr schönes Orgelkonzert, das wir gespannt und entspannt genossen haben und das uns sehr motivierte. Am letzten Abend erlebten wir eine vielseitige und amüsante Vorstellung des humoristischen Könnens einiger Teilnehmerlinnen – schließlich war Altweiber-Karneval – , bei der sich insbesondere ''Altmeister" Klaus Friedrich aus Halle verdienstvoll betätigte und hervortat.

Nicht zuletzt sei ganz herzlich Herrn Dr. Bremer gedankt. Er hat diese Fachtagung mit viel Engagement organisiert. Hoffentlich ist er doch nicht zum letzten Mal dabeigewesen. - Wir beide waren zum ersten Mal dabei. Es war für uns eine Bereicherung, so aufgeschlossene, freundliche und gute Musiker kennenzulernen. Im nächsten Jahr werden wir hoffentlich wieder an der Tagung teilnehmen.