Rede aus Anlass der


Verabschiedung von Professor Karl Berg

Gehalten während des "Weihnachtlichen Chorsingens und Musizierens"
27.12.-31.12.1999 in St. Thomas
Von DOMVIKAR DR. ENGELBERT FELTEN

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Die folgende Druckfassung der Worte von Herrn Dr. Felten bemüht sich, den Originalcharakter der Rede beizubehalten, so dass sowohl die persönliche Verbundenheit des Redners mit Karl Berg als auch die offizielle Verabschiedung zum Ausdruck kommen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

gestatten Sie mir, dass ich am Ende dieses Konzertes und am Fast-Ende dieser Chor- und Orchesterwoche das Wort an Sie richte. Ich tu' das im offiziellen Auftrag der Werkgemeinschaft Musik als Vorstandsmitglied, aber auch sehr persönlich - im Auftrag der Werkgemeinschaft, der du, lieber Karl, über viele Jahre hinweg die Treue bewahrtest und in der du über viele Jahre hinweg gearbeitet hast. Ich tue das, weil mit dieser Woche Professor Karl Berg seine Tätigkeit als Leiter solcher Chor- und Orchesterwochen beendet. Aber ich denke, dass das nicht bedeutet, dass du dich aus der Musik, die ja dein Leben bedeutet, zurückziehst und aus dem, was Werkgemeinschaft Musik ist und für dich immer bedeutet hat.

Du hast über viele Jahre hinweg in der Werkgemeinschaft gearbeitet als Praktiker, als Leiter unendlich vieler Chor- und Orchesterwochen, als Mitglied des Führungskreises, als Mitglied im Vorstand, und hast dann schließlich und endlich auch als Vorsitzender über viele Jahre das Gesicht der Werkgemeinschaft, wie es sich gezeigt hat und zeigt, geprägt.

Direktor Wilhelmi (= geistlicher Begleiter der Tagung; Anm. der Red.) hat mir am Anfang dieser Woche eigentlich das Stichwort gegeben für diese Rede heute Abend. Er hat nämlich Bezug genommen auf den Johannes-Prolog und diese beiden Worte: "Im Anfang" aufgegriffen und darauf hingewiesen. Keine Angst - ich will jetzt nicht zurückgehen an den Anfang des Christentums und erst recht nicht an den Anfang der Schöpfung; aber ich glaube, dieses Wort ist natürlich angetan, ein wenig Geschichte Revue passieren zu lassen. Es wäre vermessen von mir, der ich erst sehr spät zur Werkgemeinschaft dazu gekommen bin, die Geschichte der Werkgemeinschaft, die auch nicht zuletzt die Geschichte von Karl Berg ist, aufzuzählen und wiederzugeben; das können andere viel berufener und authentischer, als ich das vermag. Aber ich möchte zwei Dinge herausgreifen, von denen ich weiß, das sie dich, lieber Karl, in deinem Leben sehr geprägt haben und noch prägen und die in engem Zusammenhang mit der Werkgemeinschaft Musik stehen. Das Eine ist die Zeit des Krieges, des Zweiten Weltkrieges und die Zeit danach, die Zeit, in der die Werkgemeinschaft Musik entstanden ist. Wir haben oft darüber geredet, du hast es oft erzählt und immer wieder den Menschen, denen du in diesen vielen Jahren begegnet bist, kundgetan, wie wichtig es für euch, für deine Generation, gewesen ist, wieder neu anzufangen. Nach einer Zeit, in der so viele Worte, die Musik, die Kunst verhunzt gewesen waren, wo so Vieles heruntergekommen war und die Menschen verunsichert waren über das, was eigentlich noch Werte sind, nachdem so viel Schindluder getrieben worden war mit wichtigen Worten wie Treue, wie Ehre, wie Recht, Ehrlichkeit oder Glaube. All das, was Menschen noch an Werten hatten, war in den Staub getreten, und viele konnten damals nicht mehr wissen, wie sie eigentlich noch reden und schreiben und Kultur treiben sollten. Die Zeit dieses Anfangs nach dem Zweiten Weltkrieg, wo's euch darum ging, einen Anfang zu setzen, der wieder neu aufbaut, der wieder eine Vermittlung von Werten beinhaltet, die weitertragen können in die Zukunft hinein - das war's, was das Anliegen deiner Generation, dein ganz persönliches und das Anliegen der Werkgemeinschaft gewesen ist. Wieder neu diesen Werten, die nicht zuletzt christliche Werte waren und sind, aufzuhelfen, sie wieder in das Recht einzusetzen, das ihnen zusteht.

Ein Zweites: Was dich, die Werkgemeinschaft und die Arbeit der Werkgemeinschaft sehr geprägt hat, ist das Zweite Vatikanische Konzil. Diese Zeit, die in der Kirche damals die Fenster und die Türen weit aufgemacht hat, so wie Johannes XXIII. damals 1958 angekündigt hatte. Das wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn es nicht viele Menschen gegeben hätte - nicht zuletzt auch in Trier -, die dafür gesorgt hätten, dass über die liturgische Bewegung ein frischer Wind schon anfing zu säuseln und hinein zu wehen in diese Kirche, auf die das Konzil dann in vielen Dingen geantwortet hat; Bewegung, die Menschen dazu befähigt hat, ihren eigenständigen Beitrag als Laien in dieser Kirche, als Menschen, denen an dieser Kirche liegt, zu leisten; eine Zeit, die hoffentlich nicht vorbei ist. Wenn wir jetzt aktuell das Heilige Jahr eröffnet haben und der Papst kürzlich die Heilige Pforte eröffnet hat, dann wäre es schön, wenn das eine Pforte wäre, die auch wieder etwas frischen Wind in diese Kirche hineinlässt, den sie so nötig braucht.

Im Anfang - "im Anfang" ist im biblischen Sinn nicht nur etwas, das einmal beginnt, ein zeitlicher Beginn, sondern ist das, was sich als Prinzip durchhält, was weiterträgt und was das, was da kommt im Laufe der Zeit in einer langen Geschichte überdauern lässt. Einige "Prinzipien", die ich von dir kenne oder meine zu kennen, die auch nicht zuletzt in diese Arbeit in der Werkgemeinschaft Eingang gefunden haben, möchte ich benennen und aufzählen.

Das erste ist das, was du immer wieder als Ganzheitlichkeit bezeichnest - oder eigentlich nicht bezeichnest, weil du dich gegen dieses Wort wehrst. Aber die Sache ist dir sehr wichtig. Musik zu verstehen als etwas, das den ganzen Menschen berührt, das nicht nur den Kopf anspricht - den auch, nicht nur das Herz - aber das auch, und auch das Tun, aber in einem Sinne, der produktiv ist und auch kreativ. Der Mensch als Ganzer betreibt Musik, der Mensch als Ganzer ist dir in deiner ganzen pädagogischen Arbeit mit den Menschen, für die du da gewesen bist und für die du da bist, unendlich wichtig. Mit dieser ganzheitlichen Erklärung hängt anderes zusammen, nämlich dass zum Menschen auch gehört, dass er über die Normativität des Faktischen hinausweist, dass es mehr gibt als das, was wir sehen und begreifen können, dass es Wirklichkeiten gibt, die jenseits unserer unmittelbaren Wahrnehmung liegen, die Wirklichkeit von Transzendenz, die Wirklichkeit Gottes.

Glauben und der Glaube an den dreifaltigen Gott, die Auseinandersetzung mit der Gottesfrage ist dir ganz persönlich und in deiner Arbeit als Musiker immer von besonderer Bedeutung gewesen und ist es bis auf den heutigen Tag; wir haben es gerade jetzt eben in dieser Kantate nochmal gemerkt und darin, wie wir diese Kantate mit dir einstudiert haben.

Ein nächstes Prinzip, das dir wichtig war und ist in deiner Arbeit als Musiker ist das des hohen Niveaus. Du hast immer gesagt und sagst es immer wieder: "Man darf Menschen nicht unter Niveau fordern. Man sollte die Latte eigentlich immer ein bisschen höher legen, damit etwas erreicht werden kann." In all den Jahren, in denen ich dich als Leiter von Werkwochen und vor allem auch in der Wies erlebt habe, war das eigentlich immer erstaunlich, wie hoch du die Latte des Anspruchs gelegt hast, wie hoch die Latte des Niveaus gelegen hat und wie sehr du Menschen dazu angetrieben und animiert hast, das zu leisten und möglichst das zu erreichen, was du von ihnen gefordert hast. Du bist nie zurückgegangen, aber du hast Menschen dazu befähigt, Ressourcen in sich zu öffnen, die sie vielleicht selber so noch gar nicht so in ihrer Fülle entdeckt hatten.

Schließlich noch ein Letztes: Für dich hat Stillstand immer Rückschritt bedeutet. Du bist ein Mensch, der immer wieder darauf aufmerksam macht, dass es weitergehen muss. Du bist innerhalb der Werkgemeinschaft einer der Köpfe und der Handelnden, die auf Innovation drängen, die sagen: "Wir können nicht bei dem stehen bleiben, was wir einmal erreicht haben." Denn Stehenbleiben bedeutet eben Sterben, bedeutet Rückschritt. So hast du in deiner ganzen Arbeit vor allem auch immer wieder junge Menschen angezogen und ihnen gezeigt, was in ihnen stecken kann. Du hast Menschen dazu animiert, sich zu entdecken, sich zu entfalten, weil du ihnen sehr viel zutraust und weil du vor allem die innovative, die kreative Kraft von Menschen schätzt und liebst und weil sie dir vielleicht das Allerwichtigste ist, das Menschen zu leisten haben.

Mir bleibt ganz persönlich, aber auch im Auftrag und im Namen der Werkgemeinschaft Musik, vielleicht auch im Namen der Teilnehmer dieser Woche, am Schluss ganz herzlich Dank zu sagen für all das, was du getan hast und tust, für dein Denken, für deine ganze praktische Arbeit aber vor allem.   Denn du bist ein Praktiker, der das, was er denkt, immer auch in die Tat umzusetzen versucht hat und umgesetzt hat.

Vielen herzlichen Dank für die vielen Jahre, die du in der Werkgemeinschaft gearbeitet hast.