Die Sprache im Gottesdienst -
dargestellt am Beispiel der Orationen des Meßbuchs


VON IRMGARD PAHL

3. Auf dem Weg in das nächste Jahrtausend: Revision des Meßbuches


Ich komme zum zweiten, mehr praktischen Teil meiner Ausführungen. Es geht um die Aufgabe. einer fortschreitenden Weiterentwicklung der Gebetssprache, ganz konkret um die Revision des deutschen Meßbuchs im Hinblick auf eine in absehbarer Zeit fällig werdende dritte Auflage.

a) Die Studienkommission für die Meßliturgie und das Meßbuch


Um dies zu bewerkstelligen hat sich bereits 1988, also vor nunmehr 6 Jahren, eine Studienkommission gebildet, eingerichtet von der IAG (Internationale Arbeitsgemeinschaft der Liturgischen Kommissionen im deutschen Sprachgebiet). Darüber wurde in der Öffentlichkeit mehrfach berichtet. Ich darf dennoch kurz zusammenfassen, worum es geht.

Die "Studienkommission für die Meßliturgie und das Meßbuch" hat die Aufgabe, nicht nur ein liturgisches Buch neu zu bearbeiten, sondern alle mit der Meßliturgie zusammenhängenden Fragen erneut zu studieren. Die Komplexität der Aufgabe wird deutlich, wenn man die Arbeitsgruppen betrachtet, in die sich die Studienkommission gliedert:

AG 1 - Grundsatzfragen der Meßliturgie

AG 2 - Strukturfragen des Meßbuches

AG 3 - Gebetstexte

AG 4 - Ordo Missae

AG 5 - Kirchenjahr und Kalenderfragen

AG 6 - Musik

AG 7 - Schriftlesungen

Was hier im deutschen Sprachgebiet geschieht, spielt sich auch in anderen Sprachgebieten ab - und vor allem auch auf weltkirchlicher Ebene. Die Gottesdienstkongregation erarbeitet in engem Kontakt mit den nationalen liturgischen Kommissionen derzeit eine Editio typica tertia, eine dritte authentische Ausgabe des nachkonziliaren römischen Meßbuchs.

Im Rahmen dieser Arbeiten hat die Kongregation u. a. im März 1992 Fachleute angeschrieben und zur Mitarbeit an neuen Orationen und Präfationen eingeladen.

Soviel zum größeren Rahmen, innerhalb dessen die Arbeit an den Orationen des deutschen Meßbuchs zu sehen ist.

b) Die Arbeitsgruppe 3 - Gebetstexte


Der Arbeitsgruppe 3 der Studienkommission sind die Gebetstexte des Meßbuchs zur Bearbeitung übertragen.

Zusammensetzung

Diese Arbeitsgruppe ist von den sieben Gruppen die größte. Sie setzt sich aus 20 Mitgliedern zusammen. Zwei von ihnen haben bereits in der ersten Übersetzungsphase mitgearbeitet.

  • Die Gruppe besteht nicht nur aus Liturgiewissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen;
  • ihr gehören auch eine Germanistin und zwei Sprachwissenschaftler an sowie
  • ein Journalist und ein Redakteur, also
  • alles Leute, die mit Sprache umgehen;
  • außerdem mehrere in der praktischen Seelsorge Tätige.

Arbeitsweise

Die Gruppe trifft sich zweimal im Jahr als ganze im Plenum. Neben der Arbeit an den Texten selbst steht jedesmal im Mittelpunkt der Tagungen ein Studienthema grundsätzlicher Art, das sich auf die Gebetssprache bezieht, aber auch auf theologische Fragen und ihre Versprachlichung sowie auf Fragen der Kantillation.

Zwischen den Plenumssitzungen das Jahr über wird in lokalen Untergruppen gearbeitet: in der Schweiz, in Salzburg, Vallendar, in Bonn und in Bochum. In diesen Gruppen arbeiten auch weitere Personen mit, die nicht der AG 3 angehören, damit möglichst alle genannten Kompetenzbereiche vertreten sind. In Bochum sind wir z. B. zwei Liturgiewissenschaftler, dazu noch ein junger Kaplan und eine Lehrerin, die Romanistin und Germanistin ist; außer mir sind alle anderen keine Mitglieder der AG 3.

Den Lokalgruppen sind jeweils bestimmte Bereiche des Meßbuchs zur Bearbeitung übertragen. Sie erstellen die ersten Entwürfe für einen revidierten Gebetstext.

Bei dieser Arbeit gehen wir zunächst vom jetzigen Meßbuchtext aus und versuchen, ihn zu verbessern, falls nötig. Dabei ziehen wir abermals den lateinischen Grundtext zur Orientierung heran. Wir schauen auch auf die Übertragungen einiger anderssprachiger Meßbücher und lassen uns u. U. davon anregen.

Was geschieht dann mit den so erstellten Entwürfen?

Sie werden zunächst zwei anderen Lokalgruppen zur Begutachtung vorgelegt, und deren Vorschläge werden eingearbeitet. Dies ist notwendig, damit sich nicht gruppenspezifische Einseitigkeiten einschleichen - und auch um die Entwürfe besser ausreifen zu lassen.

Besonders schwierige Fälle müssen außerdem noch dem Plenum vorgelegt werden.

Die vorläufige Endfassung erstellt dann ein aus vier Personen bestehender Redaktionsausschuß. In ihm arbeitet auch ein Fachmann für Fragen der Kantillation mit, da zumindest die Orationen der Sonn- und Festtage sowie die Präfationen und Segensformeln kantillierbar gemacht werden müssen.

Ich sagte "vorläufige Endfassung" - denn danach folgt ja erst die Prüfung durch die zuständigen Stellen auf allen Ebenen. Geplant ist, daß die Ergebnisse der IAG in drei Etappen vorgelegt werden: im Januar 1996, 1997 und 1998.

Wohl wissend, daß unsere Vorlagen dabei - erfahrungsgemäß - reichlich Federn lassen werden, sind wir dennoch zuversichtlich, nicht ganz umsonst uns zu mühen.

Zuversichtlich hat uns vor allem ein Studientag der Deutschen Bischofskonferenz gestimmt - ein Studienhalbtag genauer gesagt - der im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung letzten Jahres stattfand. Zusammen mit einem Sprachwissenschaftler aus unserer Gruppe konnte ich hierbei den Bischöfen unsere Arbeitsweise vorstellen - die Leitlinien, die auch Sie in Händen haben, erläutert durch Textbeispiele.

Das Ergebnis dieses Studientages war, daß die deutschen Bischöfe (aus Osterreich und der Schweiz waren Vertreter dabei) unsere Leitlinien gebilligt und für die Weiterarbeit auf dieser Basis grünes Licht gegeben haben.
Seither arbeiten wir noch besser motiviert und zielstrebiger.

c) Die Leitlinien der AG 3


Die angesprochenen Leitlinien möchte ich Ihnen nun vorstellen. Was Ihnen ausgehändigt wurde, ist zwar nur ein Auszug, aber doch ein recht umfangreicher.5

Diese Leitlinien sind das Ergebnis eines längeren Klärungsprozesses, den die Arbeitsgruppe "Gebetstexte" durchlaufen hat. Sie wurden bewußt nicht a priori zusammengestellt, sondern entwickelten sich aus der Arbeit an den Texten selbst und aus dem Studium der damit zusammenhängenden Kragen.

Sie werden außerdem fortlaufend weitergeschrieben, z. B. wenn es um spezielle Fragen des Sanctorale oder der Messen für Verstorbene geht oder um bestimmte Gebetsgattungen wie etwa die Präfationen.

Die Gruppe braucht solche Leitlinien als Arbeitshilfe und zur eigenen Orientierung.

Zum anderen sollen die Leitlinien aber auch der Darstellung nach außen dienen:

  • Sie sollen informieren und Rechenschaft geben über die Prinzipien, die der Arbeit zugrundegelegt werden - Rechenschaft nicht zuletzt auch den Auftraggebern gegenüber.
  • Und sie sollen auf diese Weise kritische Begleitung der Arbeit durch eine breitere Öffentlichkeit ermöglichen.

Zum Inhalt der Leitlinien

Den konkreten Leitlinien, die auf Seite 3 beginnen und fortlaufend durchnumeriert sind, ist zunächst eine Art Präambel vorangestellt. Sie deckt sich inhaltlich im wesentlichen mit dem, was ich eben als liturgietheologische Grundlegung darzulegen versuchte.

Sodann wird knapp die gestellte Aufgabe umrissen. Sie betrifft alle Gebetstexte, die das jetzt geltende Meßbuch enthält, d. h. sowohl die Orationen als auch die Präfationen, Hochgebete, Segensformeln, Weihegebete.

Sie alle sind daraufhin zu überprüfen, ob sie das, "was sie inhaltlich aussagen wollen und sollen für die heute Gottesdienst Feiernden angemessen zum Ausdruck bringen". Auf diese Forderung lief nämlich die einleitende Präambel aus (Seite 2).

Zum zweiten stellt sich die Aufgabe, den alten Bestand evtl. um neue Gebetstexte zu erweitern.
Bei den unter 3. gegebenen Hinweisen zur Terminologie ist der Aufbruch zu solch neuen Ufern voll vorausgesetzt. Neuschöpfungen erscheinen uns möglich im Bereich der von uns so genannten Perikopenorationen, der Ergänzungsorationen und der Auswahlorationen ganz allgemein.

[Aus zeitlichen Gründen war es nicht möglich, die konkreten, unter 4. aufgeführten Leitlinien selbst zu erläutern. Hierzu sei auf einen Beitrag in der Zeitschrift Gottesdienst verwiesen: GD27 (1993) 125-132].


5Den vollständigen Text vgl. in: Gottesdienst 27 (1993) 126-127.