- Leben und Wirken -

Ein Nachruf

von Dr. Heinz Bremer
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Die Nachricht von ihrem Tod am 26. Juni 2000 kam überraschend. Denn noch in ihren letzten Lebenstagen weilten ihre Gedanken – trotz der 85 Lebensjahre – oft auch bei Anliegen der Werkgemeinschaft Musik. Und es ist mir in lebhafter Erinnerung, mit welch großem Interesse sie sich immer noch um die rechte Besetzung des Referententeams für die von ihr bis 1990 geleiteten Kettwiger Orchester- und Chortage kümmerte. Selbst Besuchern in ihrem letzten Domizil, dem Bruder-Jordan-Haus an ihrer Heimatstadt Gelsenkirchen-Buer, gab sie noch Ratschläge aus ihrem reichen Erfahrungsschatz für Vorbereitung und Gestaltung von Gottesdiensten und Musikwochen.
Klara-Maria (Cläre) Fasbender, geboren am 3. Februar 1915, hat ihr langes Leben und Wirken weitgehend in den Dienst der Förderung von Musik, Tanz und Spiel in Jugend und Gemeinde gestellt, stets in der Orientierung an christlichen Grundsätzen. "Dabeisein und mitgestalten - zur Ehre Gottes", so könnte ihr Lebenswahlspruch gelautet haben.

Geprägt von einer musischen Umgebung sowie christlich-sozialem Denken und Handeln im Elternhaus - der Vater war Musiklehrer an einem Gymnasium sowie ehrenamtlicher Leiter der katholischen Fürsorge in Buer - stellte sie sich schon früh für Mitarbeiterinnen- und Leitungsdienste in den Jugendgruppen ihrer Gemeinde zur Verfügung. Sie gründete und leitete ab 1935 Sing- und Spielkreise sowie eine Schola, die Gottesdienste und andere Feiern und Feste gestalteten und das Jugendleben in ihrer Heimatgemeinde nachhaltig aktivierten. Mit ihrer Gitarre suchte sie während der NS-Zeit offenbar zu auffällig die als illegal erklärten katholischen Jugendgruppenstunden auf und handelte sich damit - ähnlich wie ihr Vater durch mutiges christliches Bekenntnis die berufliche Zurücksetzung - eine Vorladung zur Gestapo am 3. November 1941 ein, die jedoch ohne Folgen blieb. Um Verdacht und Gefährdung zu vermeiden, verlegte sie die Treffen und Übungsstunden der Gruppen und Kreise in Räume ihres Elternhauses, das nun Ausgangspunkt wurde für Auftritte der Musikgruppen in Altenheimen und Krankenhäusern sowie für die Aktion "Christgang", die vorweihnachtlichen Gabenbesuche mit Musik- und Textvorträgen bei älteren und kranken Gemeindemitgliedern, ähnlich dem heutigen Sternsingen.

An Besuche und Jugendtreffen in ihrem Hause war Familie Fasbender gewöhnt, denn besonders in der NS-Zeit fanden bei ihr Freunde der Eltern und Brüder stets offene Türen, um über Angelegenheiten der Kirchengemeinde bzw. des Jugendbundes "NeudeutschIand" zu beraten und vor allem auch das gemeinsame Musizieren zu pflegen. Als die Brüder zum Militärdienst einberufen wurden, führte Cläre Fasbender diese Tradition nicht nur fort, sondern verstärkte sie in ihrer späteren Studienzeit ab 1942 mit Einladungen an ihre Kommiliton/innen in ihr Elternhaus, um auch in diesem Kreis über Probleme der Jugendarbeit zu sprechen sowie chorisch zu singen und Instrumente zu spielen, wobei der reiche Notenschatz des Vaters als willkommene und interessante Fundgrube dienlich war.

Das Rüstzeug für die Ausführung musikalischer Einzel- und Leitungs- aufgaben hatte Cläre Fasbender in ihrer Kinder- und Jugendzeit im Elternhaus erworben: beim Vater das Singen und erste Spiel auf Klavier, Blockflöte, Geige und Gitarre und im Familienkreis das gemeinsame Musizieren sowie die elementare Gruppenleitung . Bei diesen Hausmusiken, die wenig später auch in Schule und Gemeinde veranstaltet wurden, war Cläre Fasbender vornehmlich als Sängerin beteiligt, da sie über eine sichere und tragfähige helle Sopranstimme verfügte. Nach einem Schulkonzert lobte die Gesanglehrerin und spätere Professorin an der Folkwangschule in Essen, Hilde Wesselmann, ihr Talent und Können und empfahl die weitere Ausbildung in einem Studium für den Beruf der Musiklehrerin. Doch dazu fehlten ihr zunächst noch die Mittel.

Nachdem ihre Brüder beruflich gesichert waren und sie selbst durch die Tätigkeit als kaufmännische Aushilfskraft im Drogerie-Großhandel sowie während des Krieges als dienstverpflichtete Bürogehilfin einen finanziellen Grundstock angespart hatte, konnte sie der Empfehlung folgen und das Studium an der Folkwangschule am 1. Oktober 1942 beginnen. Neben den für das Musiklehrerinnenstudium vorgesehenen Disziplinen, u.a. Gesang, Violoncello, Klavier, Musikpädagogik und Gehörbildung, belegte sie auch einige Fächer im Bereich Kirchenmusik, nämlich Orgel, Chorleitung und Liturgik. Sie nahm an den Proben des Institutschores teil und sah sich offensichtlich auch in der damals berühmten Abteilung Bühnentanz um, was man aufgrund ihrer einschlägigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Vorlieben vermuten darf. Angesichts dieses riesigen Fächerkanons und Studienvolumens verwundert es nicht, dass Cläre Fasbender - wie Kommilitonen noch heute erzählen - vom damaligen Direktor Professor Anton Hardörfer einmal öffentlich und insistierend, doch wohlmeinend gefragt wurde: "Was studieren Sie eigentlich nicht bei uns, Fräulein Fasbender?"

Jedoch, bei allem Studieren hat Cläre Fasbender sich bei den Prüfungen auf weniger beschränkt, das durch ein Zertifikat aus dem Jahr 1944 mit dem Wortlaut "Orgel und Gesang studiert und erfolgreich abgeschlossen" belegt ist. Man sagte ihr Prüfungsangst nach, an der offenbar eine ihrer Lehrerinnen nicht schuldlos war, die sich noch lange danach zu der ungerechten Beurteilung
reuig bekannte. Dennoch, für ihre spätere Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie für ihre vielseitige Tätigkeit als Gesang- und Instrumentallehrerin, als Organistin,
Sängerin, Lektorin, Schola- und Singkreisleiterin in Gottesdiensten und anderen Gemeindeveranstaltungen sowie insbesondere als langjährige Tanzleiterin hat sie im Studium an der Folkwangschule eine breite und solide Basis gelegt.

In Scharen besuchten Kinder und Jugendliche - zeitweilig auch Erwachsene - vornehmlich mit Blockflöte und Gitarre ihren Unterricht in Gelsenkirchen-Buer; bis etwa 1970 kamen auch Schüler zum Geigen- oder Klavierunterricht. Alle führte sie stets in Singstunden, die Fortgeschrittenen
auch in Spielkreisen bzw. zum gemischt vokalinstrumentalen Musizieren zusammen. Häufig kam in ihrer Arbeit mit Musikgruppen das szenisch-darstellende Element dazu, u.a. in weihnachtlichen Krippenspielen. Darüber hinaus nahmen Tanzen und rhythmische Bewegung zur Musik mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auch in altersgemischten Gruppen für Anfänger oder Fortgeschrittene stetig größeren Raum in ihren Tätigkeitsbereichen ein. Bis in ihr hohes Alter leitete sie Tanzkreise in mehreren Orten und Städten, auch solche mit Behinderten, denen dann ihre besondere Zuwendung galt.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges dehnte Cläre Fasbender ihren Wirkungsbereich über die Grenzen der Gemeinde und der Stadt Gelsenkirchen aus und stellte sich für die Jugendarbeit auf Diözesanebene im Bistum Münster - später auch im Bistum Essen - zur Verfügung. Hier waren es wieder die ihrem Talent und ihrer Ausbildung entsprechenden kulturellen Lebensfelder Singen, Tanzen, instrumentales und szenisches Spiel, für die sie sich besonders einsetzte. Schon im Herbst 1945 wurde sie als Referentin einer Tagung zur Ausbildung von Gruppen- und Singkreisleitern sowie als Teilnehmerin bei spätere der Diözesanleitung in der Jugendburg Gemen bei Borken, der Zentrale für die katholische Jugendarbeit im Bistum Münster, eingeladen.

Da es den Jugendgruppen damals u.a. an Liedersammlungen mangelte, veröffentlichte sie 1947 gemeinsam mit dem damaligen Burgkaplan und Leiter der Jugendbildungsstätte Gemen, Bernhard Wormland, die erste Textausgabe des Liederbuches "Der Burgmusikant", der schon bald mehrere Notenausgaben folgten. Für ihre umfangreiche redaktionelle Mitarbeit sagte man ihr ein lebenslanges Gastrecht auf der Gemener Burg zu, das sie jedoch niemals in Anspruch genommen hat.

In dieser Zeit wurde allgemein in der Jugendarbeit der Bundesrepublik den Inhalten und Formen der musisch-kulturellen Bildung ein hoher Stellenwert beigemessen. Denn überall fehlten fachlich geschulte Kräfte für die Anleitung beim Singen von Volks- und Jugendliedern, von Chormusiken, liturgischen und anderen geistlichen Gesängen in Heimabenden, Gottesdiensten sowie Jugend- und Gemeinde- feiern. Diese Fachkräfte hießen damals "Singeleiter", zu deren Schulung insbesondere die 1947 in Altenberg gegründete "Werkgemeinschaft für Lied und Musik" (1981 umbenannt in "Werkgemeinschaft Musik e.V.) zahlreiche "Singeleitertagungen" ausrichtete. So kam es schon bald in Absprache mit dem Führungskreis der Altenberger "Bundes"-Werkgemeinschaft und unter maßgeblicher Beteiligung von Cläre Fasbender zur Gründung der "Werkgemeinschaft Musik im Bistum Münster", in deren Auftrag sie über mehr als 40 Jahre zahlreiche Musikveranstaltungen organisierte und mitgestaltete, darunter Chor- und Instrumentalwochen, Sing- und Tanzwochenenden, Fortbildungstagungen für Sing-, Tanz- und Spielkreisleiter/innen sowie musikalische Familienfreizeiten.

Als 1958 das Bistum Essen errichtet wurde, drängte Cläre Fasbender darauf, dass sich die Werkgemeinschaft Musik auch dort, in ihrem neuen Bistum, in der Diözesanstruktur wie in Münster etablierte. In Zusammenarbeit mit dem Essener Diözesanjugendamt sowie mehreren Fachkräften aus der "Bundes"- Werkgemeinschaft setzte sie sich in ähnlicher Weise wie im Bistum Münster für die musische Bildung der Jugend ein. Sie plante und leitete gemeinsam mit anderen Referenten zunächst Veranstaltungen mit offenem und chorischem Sangen, mit Tanzen und Spielen sowie Folklore in der Jugendbildungsstätte des Bistums St. Altfrid in Essen-Kettwig. Ab 1963 kam die "Instrumental- und Chormusik zur Weihnachtszeit" dazu, die sich im Verlauf der Jahre zu der großen "Orchester- und Chortagung" mit regelmäßig über hundert Teilnehmer/innen entwickelte. Außerdem wurden nach und nach Aus- und Fortbildungskurse für Sing- und Spielkreisleiter sowie Tagungen mit dem Thema "Neues geistliches Lied" in das Programm aufgenommen.

Auf Anregung des damaligen Geistlichen Leiters der Hauptstelle für Jugendseelsorge, Generalpräses Ludwig Wolker, wurde 1946 eine Arbeitsgemeinschaft nach Altenberg im Bergischen Land einberufen mit dem Auftrag, eine Konzeption zur Förderung der Musik und vor allem des Singens in der katholischen Jugend zu erstellen. Die Ergebnisse dieser Konferenz führten 1947 in einer Versammlung im Haus Altenberg zur Gründung der "Werkgemeinschaft für Lied und Musik e.V.", bei der neben Günther Bernert, dem ersten Vorsitzenden, zahlreiche andere in der Kulturszene der katholischen Jugend tätige Personen wie Adolf Lohmann, Hans Kulla, Johannes Aengenvoort, Dr. Walther Lipphardt u.v.a. anwesend waren, darunter auch Cläre Fasbender.

Seit dieser ersten Kontaktnahme hat sie wohl bis 1 998 fast an jeder Jahrestagung und Mitgliederversammlung teilgenommen und auch jahrzehntelang viele Aufgaben in dem nach und nach Sich ausweitenden Veranstaltungsangebot der Werkgemeinschaft übernommen, u.a. als Tagungsleiterin liturgisch-musikalischer Arbeitswochen bzw. für Musikpraxis im Kinder- und Familiengottesdienst sowie häufig wiederkehrend als Referentin für Tanz und Spiel in Instrumentalschulungswochen. Von 1960 bis 1998 war Cläre Fasbender als Lehrerin der Essener Bistumsgruppe Mitglied im Führungskreis der Werkgemeinschaft Musik.

Unvergessen sind ihre fast regelmäßigen Beiträge zum geselligen Teil der Jahrestagungen und aller Veranstaltungen, bei denen sie als Referentin mitwirkte: die großen, klassisch geführten und gestalteten Polonaisen zum Auftakt eines Festes oder einer Abendveranstaltung und besonders ihre aktuell am Tagungsort humorvoll formulierten und in der Rolle eines Drehorgel spielenden Clowns vorgetragenen kritisch betrachtenden Rückblicke auf Personen und Geschehen einer Tagung. Geradezu bewundert haben wir ihr Lied "Ich möchte ein Clown sein" eine feinsinnige Schilderung teils auf ihre Person bezogener Ideen und Hoffnungen aus der frühen Nachkriegsjugendarbeit, die sie in Text und Melodie 1986 zum Fest "40 Jahre Jugendburg Gemen" komponiert und gelegentlich in Altenberg vorgetragen hat. Es ist überdies auch fast allein ihr Verdienst, dass sich die Werkgemeinschaft mit ihrer Geschichte und ihrem Wirken mehrmals in kleinen Ausstellungen mit Bildern und Dokumenten für Besucher darstellen konnte.

In ihrer Arbeit, in Gremien und Versammlungen wirkte Cläre Fasbender stets selbstbewusst; sie war - auf ihre eigene Weise - emanzipiert und stets engagiert, manchmal auch originell eigenwillig, aber immer verantwortungsbewusst. Sie hat für die Werkgemeinschaft Musik, für die musische Jugendbildung in den Bistümern Essen und Münster sowie in ihrer Heimatgemeinde in Gelsenkirchen-Buer viel und Hervorragendes geleistet und dadurch große Verdienste erworben. Sie war bisher die einzige Frau in der Werkgemeinschaft, die sich über solch lange Zeit für Leitungs- und Referentenaufgaben zur Verfügung stellte. Mit der Ernennung zum Ehrenmitglied im Rahmen der Jubiläumsfeiern im Januar 1997 hat die Werkgemeinschaft ihr ein besonderes Zeichen des Dankes gesetzt. Aufgrund der vielseitigen Tätigkeit wurden Ehrungen ihr auch von höherer Warte zuteil. Vom Bund der deutschen katholischen Jugend erhielt sie "in Würdigung ihrer Verdienste um die kirchliche Jugendarbeit" und für ihre langjährige Mitgliedschaft 1975 das Ehrenkreuz in Gold; 1984 verlieh ihr der Bundespräsident aufgrund ihres ehrenamtlichen Dienstes in der kulturellen Jugendbildung das Bundesverdienstkreuz am Bande, und anlässlich ihres 70. Geburtstages im Februar 1985 ehrte sie das Bistum Münster "in Anerkennung der besonderen Verdienste" mit der Verleihung der Paulusplakette. Auch die Presse hat nach Bekanntwerden ihres Todes Cläre Fasbenders Persönlichkeit und Werk vielfach und gebührend gewürdigt.

Die Werkgemeinschaft Musik kann froh und stolz sein, dass eine engagierte, treue und erfolgreiche Frau wie Cläre Fasbender über 50 Jahre in ihren Reihen stand. Wir sollten sie daher dankbar und ehrend in Erinnerung behalten.